Dieses Mal dreht sich alles um das älteste Gasthaus Deutschlands. Nach eigenen Angaben. Historisch belegt ist tatsächlich eine urkundliche Erwähnung aus dem Jahr 1411. Allerdings streitet sich das Gasthaus zum Riesen in Miltenberg mit der „Herberge zum Löwen“ (1231) und „Zum roten Bären“ (1311) um den Titel. Die Gaststätte Röhrl von 1658 ist damit schon eher abgeschlagen, aber diese kann wenigstens von sich behaupten, seit damals durchgängig als Gasthaus geöffnet gewesen zu sein (Dafür gab es einen Guinnes Buch Titel). Wie dem auch sei, der „Riese“ ist sicher das bestaussehende Gasthaus aus dieser Auswahl.

Wir kennen den „Riesen“ jetzt schon seit fast 25 Jahren… und man könnte sagen, die Beziehung ist kompliziert. Gab es zwischendurch eine Phase, in der ein Besuch gar nicht empfehlenswert war (und zwar was das Essen, die Bedienung und die Rechnung anging), sind wir seit etwa 10 Jahren wieder sehr regelmäßig dort.
Das liegt zum einen am Miltenberger Brauhaus Faust (das einen eigenen Artikel wert ist und erklärt, warum die Biersteuer verhindert, daß wir in Österreich dort bestellen können…) und an den daher stammenden Bieren (und einem Doppelbockbrand, der ebenfalls einen Artikel wert ist…).
Zum anderen liegt es an der „gutbürgerlichen fränkischen Küche“, die dort serviert wird.
In all den Jahren haben wir es geschafft, uns wirklich fast durch die ganze Karte zu futtern.
Diese hat sich in den letzten Jahren vermutlich Corona-bedingt etwas verändert: früher gab es das „Riesen-Journal“ im Zeitungsformat, zweisprachig und mit ein paar mehr Gerichten als momentan. Vielleicht kommt man irgendwann zu dieser Variante wieder zurück. Im Laufe der Zeit ändern sich auch schon mal die Beilagen, aber im wesentlichen sind die meisten der Gerichte auch heute noch zu finden.
Die Miltenberger Rossäpfel zum Beispiel, wenn sie auch momentan mit Brot statt Kartoffelpüree auf der Karte stehen:

Das sind riesige Leberknödel (schön feine Masse, nicht gummiartig sondern schön fest-fluffig) mit Dunkelbiersoße.
Die sind soooo lecker, daß ich sie schon selber nachgekocht habe!
Die Veränderung der Karte bringt aber auch noch andere Fragen mit sich.

Das hier ist die Kräftige Rinderbrühe mit Leberknödel. Der Leberknödel war super, geschmacklich gut, Konstistenz super. Aber: die „kräftige Rinderbühe“. Kräftig war die nicht. Eher ziemlich fade. Kaum Geschmack und Salz hätte auch noch rangedurft. Wer die Karte liest, dem wird folgendes auffallen: Es gibt keinerlei Gericht, aus dem eine kräftige Rinderbrühe hätte entstehen können! Das war allerdings nicht immer so, 2019 stand noch das „Miltenberger Suppenfleisch“ auf der Karte. Da hätte man sicher die Basis für eine Rinderbrühe bekommen… jetzt habe ich blöderweise die Leberknödelsuppe nie vor 2022 probiert und deshalb kann ich leider auch nicht sagen, wie sie früher war. Ich hätte da lieber die „Meerrettichcremesuppe mir Schwarzbrotcroutons“ wieder, die grade leider nicht mehr auf der Karte steht:

Vorspeisen sind aber auf Grund der Portionsgröße dort eh schon eher sportlich…
Die Haxe beispielsweise:

Super knusprig außen, super zart und saftig innen. Und eigentlich hatten wir zu zweit noch genug für eine dritte Person übrig… Ich habe allerdings auch schon Leute diese Portion alleine essen sehen. Aufessen. Immer wieder erstaunlich!
Und es ist egal, was man bestellt, man hat ordentlich auf dem Teller.
Die Käsespätzle sollten mit Salatgarnitur kommen. Ich habe kurz überlegt, ob ich nicht lieber noch einen Beilagensalat bestellen soll, ich habe glücklicherweise drauf verzichtet:

An Käsespätzle kann man nicht viel falschmachen, aber jede Menge richtig: sie waren würzig und das Verhältnis Röstzwiebeln zu Spätzle war endlich auch mal richtig gut! Ich hätte vielleicht den Salat gerne auf einem extra Teller gehabt, die Salatsoße suppt halt ein bisserle in die Spätzle.
Zustätzlich zur normalen Karte gibt es grade immer eine Wochenkarte, von dieser stammt das Hirschragout hier: (nicht täuschen lassen, das ist ein tiefer Teller!)

Das ließ sich bequem mit dem Löffel essen, es war sehr zart. Ich hatte keine Flachsen oder durchwachsenen Stücke dabei, keine Schrotkugel (warum eigentlich immer ich? Ich hab schon zweimal auf so ein Ding gebissen…Nicht lustig!) und genügend Preiselbeeren. Die Semmelknödel finde ich beim Riesen immer lecker und ich hatte so viel Soße, daß es bis zum letzten Bissen Knödel gereicht hat. A propos draufbeißen: weder beim Sauerkraut dort noch beim Rotkohl hatte ich je das Missvergnügen, auf eine Nelke oder eine Wacholderbeere zu treffen. Nicht mal ein Stück Lorbeerblatt, obwohl geschmacklich alles da ist.
Momentan gibt es aber nicht nur die Aktionskarte und die normale Speisekarte sondern auch eine „To Go Karte“. Das ist super, kurz bestellt, entweder direkt dort oder telefonisch, dann bereiten sie es zu und verpacken es transportsicher.
So kamen wir in den Genuß des Bayerischen Schweinebratens mit Dunkelbiersoße, Semmelknödeln und Rotkohl. Beides echt super verpackt und die Box kann man wieder befüllen lassen.

und den hausgemachten fränkischen Kochkäse mit Schwarzviertlerbrot, Zwiebeln und Butter

Das steht eigentlich als kleinerer Snack auf der Karte, aber nach der Portion fühlte ich mich gut satt. Der Kochkäse war mild und cremig, mit Kümmel obendrauf und die Menge der Zwiebeln (die es in einem extra Töpfchen dazu gab) war schon fast etwas übertrieben.
Zum Trinken sollte man eines der 19 Biere der Brauerei Faust versuchen, wobei hier das Schwarzviertler und das Auswandererbier meine absoluten Favoriten sind. Zu einem guten Kräusen sag ich aber auch nicht nein.
Sollte man dann aus unerfindlichen Gründen noch nicht satt sein, dann kann man am Wochenende einen Apfelstrudel haben (den wir leider verpasst haben, am Montag war nix mehr übrig…)
oder eine Zartbitter-Schoko-Tarte mit hausgemachter Vanillesoße:

Die war…ok. Keine kulinarische Offenbarung, einfach eine Schokotarte, die ich an anderer Stelle schon besser hatte und auch selber besser hinkriege.
Es gibt noch gebackene Apfelringe, die hatten aber beim Essen einen merkwürdigen Nachgeschmack, vielleicht war das Fett noch nicht ganz heiß gewesen, vielleicht gebe ich denen noch mal eine zweite Chance. Aber eigentlich bin ich mit den Nachspeisen durch, man braucht sie dort nicht, und sie sind nicht grade die Stärke des „Riesen“.
Was man noch wissen sollte, man sitzt dort drinnen mitunter eng. Und es ist warm, nicht nur, wenn es technische Probleme gibt wie dieses Jahr… Dafür kriegen sie inzwischen sogar größere Gruppen (so um die 20) wieder ganz gut hin, wenn auch die optimale Personenanzahl so um die 6 Personen oder weniger liegt.
Wir sehen uns garantiert wieder, hoffentlich schon dieses Jahr, wie immer, meistens so zwischen Weihnachten und Silvester. Ich freu mich jedenfalls wieder drauf!
Wirsing, Sususi